Standardisierte Bildung

Podiumsdiskussion in der AK, 27. Mai 2009, 18 Uhr 30 – 21 Uhr 15

Die Veranstaltung wird durch eine Vertreterin der AK eröffnet. Die AK setzt sich für Ganzbetreuung und die gemeinsame Schule ein. Das kostenlose verpflichtende Kindergartenjahr wird grundsätzlich begrüßt, obwohl die AK eher für ein Vorschuljahr eingetreten ist. In den Standards sieht sie ein Instrument, das den Eltern Sicherheit vermitteln könnte.

Mag. Barbara Nowikow moderiert die Podiumsdiskussion. Sie ist Vertreterin der parteiunabhängigen Aktionsgewerkschaft Bildung, die Lehrer/innen aller Schultypen offen steht.

Mag. Johannes Theiner, Vorsitzender des Verbandes der Elternvereine an den höheren und mittleren Schulen Wiens, meint, dass die Eltern schon lange an den Bildungsstandards interessiert sind, durch die Zukunftskommission und die Diskussion mit DDr. Haider war man zum ersten Mal konkret damit befasst. Eltern erwarten und wünschen von der Schule Zuverlässigkeit. Es gibt aber noch viele offene Fragen: Was erwartet die Gesellschaft von der Schule? Messen internationale Studien wie z.B. PISA das Richtige? Wo bleibt die Wertigkeit der musischen Kompetenzen? Wie sicher sind die Messmethoden? Wie kompatibel sind sie mit der Leistungsbeurteilung? Lerninhalte, Kompetenzen und inhaltliche Zielsetzungen sind definiert, aber was wird das Ergebnis der Standardüberprüfungen aussagen? Bildung an sich kann nicht standardisiert werden. Großen Wert legt er auf die Einbindung der Schulpartner in den gesamten Prozess.

MR Mag. Augustin Kern vom bm:ukk ist von Beginn an (2001) in die Entwicklung der Standards eingebunden, seit 2003 werden diese in Pilotphasen erprobt. Die Bildungsstandardverordnung informiert über Ziele und Inhalte der Standards. Das Ministerium erwartet sich durch die Standards Antwort auf die Frage wie die Qualität des Unterrichts in der Schule verbessert werden kann? Bisher gab es in unserem Schulwesen keine externe Evaluation . Die Standards sind seit 2008 rechtlich verankert und verbindlich für VS, HS und AHS Unterstufe. Sie sind e i n e Maßnahme zur Qualitätsverbesserung, allein werden sie nichts bewirken. Sie müssen mit Monitoring, pädagogischen Initiativen und weiterer Professionalisierung der Lehrer/innen verbunden werden. Hier gibt es noch viel zu tun. Die Finanzierung darf nicht nur für das Messen und Überprüfen verwendet werden, sondern auch in der Fortbildung eingesetzt werden. Im BIFIE und den Pädagogischen Hochschulen sieht er starke Partner.

Heidi Rieder, stellvertretende Schulsprecherin der AHS Rahlgasse und Mitglied der Schülerorganisation „Revolution“, beklagt, dass der Stressfaktor bei den Schüler/innen stark zugenommen habe. In der Schule werde immer weniger auf die Schüler/innen und ihre individuellen Probleme eingegangen. Die Schüler/innen hätten die wenigsten Rechte im System. Durch die Bildungsstandards befürchtet sie eine noch stärkere Selektion, die in Österreich ohnedies schon groß ist, eine Verstärkung der Problematik der Stellung von Migrant/innen gegenüber Kinder von Akademiker/innen. . Außerdem sei unklar, wie die Standards definiert werden.

Univ. Prof. Dr. Erich Ribolits fragt nach dem Grund für die Einführung der Standards. Die Schule ist seiner Meinung nach bisher „gut gelaufen“, aber wer Verbesserungen anspricht, hat die Menschen auf seiner Seite. Die Eltern sagen „ja, aber..“, bis zu einem gewissen Grad sagen das auch die Schüler/innen und die Lehrer/innen sagen gar nichts mehr. Wer stellt definitiv fest, was eine gute Schule und was ein guter Lehrer ist? Globalisierung und Informationstechnologien haben große Umbrüche bewirkt. Man braucht heute „gut einsetzbares Humankapital“, selbständig denkende Menschen, die „trotzdem funktionieren“.

Es folgt eine sehr angeregte Diskussion in der vor allem folgende Punkte angesprochen werden. Von Lehrerseite wird die Befürchtung immer wieder geäußert, dass durch die Bildungsstandards die Lehrerinnen und Lehrer getestet werden sollen. Weiters wird bemängelt, dass die getesteten Fächer an großer Bedeutung gewinnen werden, was anderen Fächern schaden werde. Schulbücher auf die Kompetenzen ausgerichtet werden, was zu Lasten der Inhalte gehe. Unverständnis herrscht darüber, warum man nicht Mindeststandards gewählt habe. Mag. Nowikow befürchtet eine massive Auswirkung der Standards auf die Unterrichtsgestaltung, was Lehrer/innen belasten werde, die ohnedies glauben, „die ganze Last der Welt auf ihren Schultern zu tragen“. Ein Student stellt das Ziel die Anhebung aller Schüler/innen auf ein vergleichbares hohes Niveau in Frage, da man „lauter gleich gute Menschen“ gar nicht brauchen könne. Von Elternseite wird Sicherheit, Transparenz und Vergleichbarkeit eingefordert, die durch das System gewährleistet sein müssten, denn „wenn Eltern Probleme aufzeigen bekommen sie selbst Probleme“. Standards als zusätzliche Prüfungen werden aber auch problematisch gesehen.

Mag. Theiner bedauert, dass die derzeitige Diskussion sich nur um die Standardtestung dreht und eine Zieldiskussion fehlt.

MR Mag. Kern gibt zu bedenken, dass im Abstand von drei Jahren getestet wird, ein Schülerjahrgang maximal ein Mal zur Testung kommt, jeder dritte Altersjahrgang gar nicht. Die Ängste der Lehrer/innen vor der externen Evaluation kann er nicht ganz nachvollziehen. Die Diskussion um den Bildungsbegriff wird nie abgeschlossen sein. Die Einigung auf den Namen „Bildungsstandards“ war eine politische Entscheidung. Von Mindeststandards ist man abgekommen, da deren Erstellung sich in der Schweiz als äußerst schwierig erwiesen hat. Bildungsstandards sind aber nichts Zusätzliches sondern eingebettet in den Lehrplan.

Im 2. Teil der Diskussion wird von Lehrer/innen erneut das Unbehagen mit den Testungen und von der Schülervertreterin die Belastung durch zusätzliche Überprüfungen angesprochen. Die Tätigkeit des BIFIE ist einigen nicht ganz verständlich und es wird der Wunsch geäußert, das Geld anderweitig im Bildungswesen zu verwenden. Lehrer/innen weisen auch auf die Problematik der nicht lernwilligen Schüler/innen und der Eltern hin, die keine Zeit haben,. Das Interesse am Lehrerberuf wäre stark gesunken.

Weitere Kritikpunkte sind die Einsparungen der letzten Jahre und die Tatsache, dass der Fokus zu stark auf Ausbildung statt auf Bildung gelegt wird. Der Nutzen der Vergleichbarkeit der Leistungen wird von Lehrerseite in Frage gestellt, von Elternseite aber bekräftigt.

Mag. Theiner und Heidi Rieder weisen zum Schluss auf die Problematik der mangelnden Kommunikation bei den Bildungsstandards hin. Theiner erwartet sich Kompetenzsicherung und hofft auf ein positives Ergebnis, das er aber noch nicht gewährleistet sieht. Rieder meint, dass Veränderung nötig und Verbesserung möglich, die Situation aber schwierig ist.

MR Mag. Kern sieht im BIFIE eine wichtige Stütze bei der Implementierung der Standards und deren Auswertungen.

Univ. Prof. Dr. Ribolits meint, dass alle Industrieländer ein sozial selektives Bildungssystem haben, bestätigt aber, dass nicht alle die Besten werden können. Von gegenseitigen Schuldzuweisungen sollte man Abstand nehmen. Nicht geklärt ist für ihn, was mit den Ergebnissen der Standards passieren soll. Es ist ja auch nicht klar, was mit den Ergebnissen von PISA geschieht. Seiner Ansicht nach ist es vor allem notwendig, die Rahmenbedingungen, eigentlich das gesamte gesellschaftliche System zu untersuchen.